Haus St. Antonius
Grein a.d. Donau / Österreich
 


(Artikel aus der Quartalschrift "Wegbegleiter" 2019 / 2)


Mag. Elisabeth Svoboda                                                                                                                   

Ist Marienverehrung unbiblisch ?

Beim Thema "Marienverehrung" wird meist sofort an die katholische Kirche gedacht. Hier gibt es Marienverehrung. Andere christliche Gemeinschaften haben oft den Grundsatz, sich streng an der Bibel zu orientieren. Marienverehrung wird von ihnen so gesehen wie eine spezielle Eigenheit der katholischen Kirche, die sich im Laufe der Zeit hier entwickelt hat, als Entfernung von der Bibel.

Wie ist das also mit der Marienverehrung in der katholischen Kirche?

Tatsächlich hat nur hier (und auch bei den Orthodoxen und Altorientalen) die Muttergottes eine besondere Stellung; es kommt ihr eine besondere Verehrung und Wertschätzung (keine Anbetung, wie oft fälschlich angenommen wird) zu.

Ist das nun tatsächlich etwas, das mit der Bibel nichts zu tun hat, eine Entfernung und Entfremdung vom Ursprünglichen?

Schauen wir in der Bibel nach!

Gehen wir gleich zu dem Ereignis, mit dem alles beginnt, der Verkündigung des Herrn.

Der Engel Gabriel verkündet Marie die Empfängnis Jesu (das Fest "Verkündigung des Herrn" oder "Mariä Verkündigung"), und Maria antwortet: "Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast." (Lk 1,38). Maria stimmt zu. Das ist das sogenannte "Fiat" (lat. fiat "es geschehe"). Dazu heißt es in der Enzyklika "Redemptoris mater" (RM) von Johannes Paul II. in Nr. 13: "Und nachdem Maria alle Worte des Boten gehört hat, gibt sie diese Zustimmung. (...) Dieses Fiat Marias - 'mir geschehe' - hat von der menschlichen Seite her über die Verwirklichung des göttlichen Geheimnisses entschieden. (...) Das Geheimnis der Menschwerdung hat sich also vollzogen, als Maria ihr Fiat gesprochen hat ...".

Und das Zweite Vatikanische Konzil sagt in Lumen gentium (LG) 53: "Die Jungfrau Maria, die ... Gottes Wort ... in ihrem Leib empfing und der Welt das Leben brachte ...".

Das bedeutet, daß die Menschwerdung Christi und in der Folge die Erlösung von uns Menschen durch die Zustimmung Marias ermöglicht wurde.

Der menschgewordene Sohn Gottes und die Erlösung sind untrennbar mit Maria verbunden. Marias Zustimmung, Mitwirken ist bleibend Teil dieses Geschehens, ist in dem Geschehen bleibend enthalten. Man kann nicht, wie oft gemeint wird, sagen: Maria hat Christus geboren und ihn dann auch noch aufgezogen; danach können wir Maria beiseite lassen, und es geht nur noch um Christus. In RM 5 heißt es: "Und an die Wirklichkeit der Menschwerdung wiederum kann man nicht denken, ohne sich auf Maria, die Mutter des menschgewordenen Wortes, zu beziehen."

Auch in der Hl. Schrift sehen wir, daß Maria für die spätere Zeit nicht beiseite gelassen wurde.

Bereits der Engel Gabriel richtet eine umfassende theologisch tiefgreifende Weissagung über Jesus direkt an Maria:
"Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wird du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben." (Lk 1,31-33).

Ebenso macht es Simeon, als Maria und Josef das Kind in den Tempel bringen (das Fest "Darstellung des Herrn" oder "Mariä Lichtmeß"):
"Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden." (Lk 2,34-35).

Maria wird hier also von Anfang an in das gesamte Leben und die Sendung Jesu miteinbezogen.

Weiters gibt es den Bericht über die Hochzeit zu Kana. Hier spielt Maria eine aktive Rolle. In LG 58 heißt es dazu: "Im öffentlichen Leben Jesu erscheint seine Mutter ausdrücklich am Anfang, da sie bei der Hochzeit zu Kana in Galiläa durch ihr Mitgefühl den Anfang der Zeichen Jesu als des Messias durch ihre Fürbitte veranlaßt hat (vgl. Joh 2,1-11).".

Als Jesus vor seinem Sterben am Kreuz hing, heißt es in der Bibel: "Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jeder Stunde an nahm sie der Jünger zu sich." (Joh 19,26-27).

Hier bekommt Maria eine Aufgabe und einen Auftrag für die Zukunft, der über die Begleitung des irdischen Lebensweges ihres Sohnes hinausreicht.

In dieser Situation ging es wohl nicht um irgendwelche Dinge des Alltags, und in RM 24 steht: "Die Worte, die Jesus vom Kreuz herab spricht, bedeuten, daß die Mutterschaft derer, die ihn geboren hat, sich in der Kirche und durch die Kirche 'neu' fortsetzt, die durch Johannes symbolisiert und dargestellt wird. Sie ... (Maria, Anm.) bleibt auf diese Weise durch die Kirche in jenem Geheimnis zugegen als 'die Frau', die vom Buch der Genesis (3,15) am Anfang und von der Offenbarung des Johannes (12,1) am Ende der Heilsgeschichte genannt wird. Nach dem ewigen Plan der Vorsehung soll sich die göttliche Mutterschaft Marias über die Kirche ausbreiten ...".

Die Hl. Schrift zeigt uns die große Bedeutung Marias von der Empfängnis Jesu bis in die Zukunft hinein. Ist es angesichts dieser Bedeutung nicht naheliegend, daß man ihr gegenüber eine Haltung der Dankbarkeit, des Lobes und der besonderen Hervorhebung einnimmt?

Sehen wir nach, ob wir in der Hl. Schrift etwas davon finden:

Der Engel Gabriel sagt bei der Verkündigung zu Maria: "Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. (...) ... denn du hast bei Gott Gnade gefunden." (Lk 1,28-30).

Maria besucht Elisabet (das Fest "Mariä Heimsuchung"): "Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ." (Lk 1,40-45).

Maria wird schon in der Hl. Schrift besonders hervorgehoben.
Und eine ganz besondere Aussage ist jene, welche Maria beim Besuch Elisabets selbst im Rahmen des Magnificat 1 macht:
"Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter." (Lk 1,48).

Dies ist in die Zukunft vorausblickend die Voraussage der, ja, Marienverehrung.

Diese Voraussage hat sich in der Kirche verwirklicht.
Und umgekehrt formuliert: Die Marienverehrung in der Kirche ist die Verwirklichung der Voraussage in der Hl. Schrift.

So sagt das Konzil in LG 66: "Schon seit ältester Zeit wird die selige Jungfrau unter dem Titel der 'Gottesgebärerin' verehrt, unter deren Schutz die Gläubigen in allen  Gefahren und Nöten bittend Zuflucht nehmen. ... ist die Verehrung des Gottesvolkes gegenüber Maria wunderbar gewachsen in Verehrung und Liebe, in Anrufung und Nachahmung, gemäß ihren eigenen prophetischen Worten: 'Selig werden mich preisen alle Geschlechter, da mir Großes getan hat, der da mächtig ist' (Lk 1,48).".

Die prophetischen Worte legen keine konkrete Form fest. Sie sagen nicht, wie, sondern nur, daß es sein wird. Aus diesem Grund können die verschiedenen Ausformungen der Marienverehrung nicht als unbiblisch bezeichnet werden. Sie sind dadurch biblisch, daß sie grundsätzlich der biblischen Prophezeiung folgen.

Es müssen also sozusagen nicht die Vokabeln "Rosenkranz", "Maiandacht" etc. in der Bibel stehen, um diese Gebetsformen anerkennen zu können.

Dennoch sei darauf hingewiesen, daß gerade die "typisch marianischen" Gebete, die in der Kirche gebetet werden - das Gegrüßet seist du, Maria/Ave Maria, der Engel des Herrn/Angelus, das Magnificat - ganz nahe am Bibeltext sind.
Es werden dabei biblische Inhalte wiedergegeben und auch mehrere Bibelstellen wörtlich zitiert. Die wörtlichen Zitate sind: das gesamte Magnificat Lk 1,46-55, beim Ave Maria Lk 1,28 ("Gegrüßet seist du (Maria), voll der Gnade, der Herr ist mit dir") und Lk 1,42 ("Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes"), beim Angelus Lk 1,38 ("Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort"). Somit ist auch der Rosenkranz nicht nur vom betrachtenden Inhalt, sondern auch von den gesprochenen Worten her biblisch, da er ja zum Großteil aus Ave Maria und Vater unser besteht.

Und wenn die Kirche das bekannte Gebet "Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin. Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern erlöse uns jederzeit von allen Gefahren, o du glorreiche und gebenedeite Jungfrau" 2 betet, dann betet sie immerhin ein Gebet, das auf einem in griechischer Sprache verfaßten ägyptischen Papyrusfragment aus dem 3. Jh. (mglw. auch früher) gefunden wurde.

Wenn es also prophetisch heißt: "Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter": Möchten sich da manche abwenden und im Abseits stehen, möchten sie nicht dazugehören zu jenen, die die biblische Prophezeiung verwirklichen?

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1 Für alle, die es nicht wissen: Das Magnificat ist der sogenannte Lobgesang, den Maria bei ihrem Besuch bei Elisabet spricht, Lk 1,46-55;
   benannt nach den lateinischen Anfangsworten "Magnificat anima mea dominum".

2 Der Satz, der danach noch gebetet wird, ist eine spätere Ergänzung.




 

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